Inhalt
Als ihre Mutter und ihre beiden jüngeren Brüder bei einem mutmaßlich islamistischen Bombenanschlag mitten in Berlin ums Leben kommen, steht die etwa 20-jährige Maxi unter Schock. Während ihr Vater unter Schuldgefühlen leidet und sich zurückzieht, beginnt Maxi nach Antworten und neuer Orientierung zu suchen. Zu diesem Zeitpunkt trifft sie Karl, einen wortgewandten jungen Mann Mitte Zwanzig, der sie zu verstehen scheint und zugleich Leitfigur einer internationalen jungen Bewegung ist, die die Politik in Europa aktiv verändern will. In dieser Gruppe fühlt Maxi sich gut aufgehoben. Sie kennt die Ängste, über die man dort spricht, sie wird als Opfer ernst genommen – und merkt erst zu spät, dass die Bewegung auch zu Gewalt bereit ist und mit ihrer Ideologie und Politik die Grundfesten der Demokratie gefährdet.
Umsetzung
Mit großem Unbehagen beobachtet der als Thriller inszenierte Film den Rechtsruck in Deutschland und Europa und siedelt seine Geschichte in einer nur wenig veränderten Gegenwart an. Mit Maxis Augen lernt das Publikum die rechte Szene kennen. Der Film setzt dabei bewusst auf Uneindeutigkeit und Verunsicherung, weil die menschenrechts- und demokratiefeindliche Ideologie unter einer schicken Oberfläche verborgen bleibt und mit Umdeutungen bekannter politischer Begriffe, Parolen und Symbolen gearbeitet wird. Je mehr Maxi sich jedoch radikalisiert, desto weniger funktioniert die Identifikation, weil das Publikum im Gegensatz zu Maxi bereits die wahren Ziele der rechten Bewegung durchschaut hat. Unverkennbar orientiert sich der Film in der Darstellung der rechtsextremen Szene an der Identitären Bewegung sowie an dem Erscheinungsbild der so genannten Neuen Rechten. Auffallend sind im Film die drei Farben Blau, Weiß und Rot, die einerseits Assoziationen zu Gefühlskälte, Gefahr und Reinheit wecken, andererseits aber an die Farben der Französischen Revolution angelehnt sind und hier bewusst provokant gegen den Strich gebürstet werden.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit
JE SUIS KARL lenkt den Blick vor allem auf die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und sensibilisiert für die Strategien der gegenwärtigen rechten und rechtsextremen Szene. Dabei lässt sich analysieren, wie rechte Bewegungen derzeit auftreten und wodurch sie sich von alten rechten Bewegungen und Szenen unterscheiden. Untersucht werden können Bereiche wie Symbole, Mode oder Leitfarben, aber auch Begrifflichkeiten. Mit Bezug zum Film kann z. B. diskutiert werden, wie Begriffe wie „Diversität‟ und „Partizipation‟ oder politische Slogans wie „Je suis Charlie‟ oder „Wir sind das Volk‟ im Sinne der rechten Ideologie umgedeutet werden. Einen besonderen Blick lohnt die Ausein-andersetzung mit Rhetorik. Meisterhaft versteht es Karl, seine Ideologie in scheinbar neutrale Worte zu verpacken und in Gesprächen mit Maxi Feindbilder zu schaffen. Hier können Möglichkeiten erarbeitet werden, wie mit derartigen Vorurteilen und Argumenten umgegangen werden kann und soll. Beleuchtet werden kann auch, weshalb Maxi sich radikalisiert, in welchen Phasen sich diese Radikalisierung vollzieht und welchen Ausweg der Film aufzeigt. Kritisch diskutieren lässt sich zudem das Ende des Films. Welche Gedanken provoziert dieser? Welche Möglichkeiten hat der Film, auf das gegenwärtige politische Klima Einfluss zu nehmen und demokratische Werte zu stärken?