Inhalt
Die ostdeutsche Region Lausitz ist seit über 100 Jahren geprägt vom Braunkohleabbau. Nachdem infolge des Zusammenbruchs der DDR viele Unternehmen geschlossen wurden und eine massive Deindustrialisierung eine Abwanderungswelle auslöste, steht die Bevölkerung nun vor einem zweiten Strukturwandel. Denn die Bundesregierung hat angesichts der Klimakrise den baldigen Ausstieg aus der Kohleförderung beschlossen. Britt Beyer dokumentiert, wie vier Lausitzer auf die folgenreiche Entscheidung reagieren. Torsten Pötzsch, Oberbürgermeister von Weißwasser, versucht für seine Stadt eine substanzielle Zukunftsperspektive zu finden, während sich die Umweltaktivistin Rebekka Schwarzbach für den Erhalt verbliebener Waldflächen und gegen die Umwandlung stillgelegter Tagebaureviere in Seen engagiert. Dagegen mahnt die traditionsbewusste Baggerführerin Silke Butzlaff einen behutsamen Kohle-Ausstieg an und der Betriebsrat Lars Katzmarek kämpft auch mit einem Rapsong für eine Energiewende mit vernünftigem Tempo.
Umsetzung
Der Dokumentarfilm verfolgt in einer alternierenden Montage episodischer Alltagsbeobachtungen das Engagement und die politischen Aktivitäten der vier Protagonist*innen in der Lausitz. Indem er ihre Bestrebungen und Sehnsüchte, Ängste und Erinnerungen offenlegt, entsteht eine vielstimmige Chronik der Auseinandersetzung mit dem abermaligen Strukturwandel. Zwischendurch liefern Off-Kommentare Hintergrundinformationen zur Geschichte des Kohlebergbaus und zu aktuellen Entwicklungen in der deutschen Energie- und Umweltschutzpolitik. Eingeschobene Ausschnitte aus der DEFA-Kinobox und Fernsehprogrammen schlagen die Brücke zum Braunkohlebergbau in der DDR und nach der deutschen Einheit. Ruhige Aufnahmen weitläufiger Braunkohlegruben und einsamer Ortschaften markieren hin und wieder den Wechsel der Schauplätze und tragen zur Gliederung des Films bei. Oft werden diese Totalen von jazziger Bläser- und Klaviermusik begleitet, die eigenwillige kontrapunktische Akzente setzt.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit
Im Film warnt Kommunalpolitiker Pötzsch, dass der Kohleausstieg nicht zu einem "Strukturbruch" führen dürfe wie nach der deutschen Einheit. Aber wie können Politiker*innen und Bürger*innen aus früheren Fehlern bei der Bewältigung wirtschaftlicher Krisenlagen lernen? Wie kann der Strukturwandel sozialverträglich – oder „enkeltauglich“ – gestaltet werden? Die Umweltaktivistin Rebekka mahnt, dass 17 Milliarden Euro Strukturhilfen nicht nur bei großen Energiekonzernen, sondern auch bei den Menschen ankommen müssen. Wie findet man einen fairen Interessenausgleich zwischen wirtschaft-licher Entwicklung, Heimatliebe und der Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen? "Gebt uns Industriearbeitsplätze! Gewerkschaftlich gesichert!", rappt Lars Katzmarek in einem Lied, in dem er eine Perspektive für die Lausitz einfordert. Anhand seines YouTube-Videos können Schüler*innen über die Möglichkeiten und Grenzen sozialkritischer künstlerischer Werke diskutieren, auf politische Entscheidungsmechanismen einzuwirken. An einzelnen Sequenzen kann die Wirkungsweise der alternierenden oder Parallel-Montage untersucht werden: Sie dient hier weniger der sonst dominier-enden Spannungssteigerung, sondern betont vor allem den Kontrast zwischen den Lebenseinstellungen der vier Protagonisten.